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Erleben Sie Oskar Kokoschka anders!
Klicken Sie auf die roten Punkte in den Bildern und erfahren Sie mehr über Oskar Kokoschka und sein Werk. Die einzelnen Werke und Lebensstationen Oskar Kokoschkas werden auf interaktivem Weg vermittelt. Bei den Bildern handelt es sich um eine Auswahl von Werken, die in den letzten beiden Jahren im Kokoschka Museum Pöchlarn gezeigt wurden.
Fred Goldman (Kind mit den Händen der Eltern), 1909
Oskar Kokoschka
Fred Goldman (Kind mit den Händen der Eltern), 1909
Das 1909 entstandene Gemälde „Fred Goldman (Kind mit den Händen der Eltern)“ zählt zu Oskar Kokoschkas frühesten Kinderporträts. Der Auftrag des Herrenschneiders Leopold Goldman für ein Bildnis seines wenige Monate alten Sohnes kam über Vermittlung von Adolf Loos. Der Architekt hatte für die Firma „Goldman & Salatsch“ das seinerzeit heiß umstrittene Geschäftshaus am Michaelerplatz errichtet, das heute als Ikone der modernen Architektur gilt. Loos war neben Karl Kraus einer der frühesten Protegés Kokoschkas und hatte ihm 1909 und 1910 zu zahlreichen Porträtaufträgen verholfen.
Oskar Kokoschka
Fred Goldman (Kind mit den Händen der Eltern), 1909
Kokoschka erinnert sich in seiner 1971 erschienenen Autobiografie an das Kinderbildnis: „Der Schneider Goldman, der mich einige Jahre später für den Krieg angezogen hat, beauftragte mich […]. Es war das erste Kind der Eltern, sie waren darüber glücklich, und um dies zu zeigen, habe ich die Hände der beiden Eltern auf das Bild gebracht, wie sie das kleine Wesen in seinem weißen Kittel mit dem kindisch stoischen Ausdruck, weil es nicht weiß, warum es so geliebt wird, in die Höhe hielten, damit ich es ganz genau sehen konnte.“
Oskar Kokoschka
Fred Goldman (Kind mit den Händen der Eltern), 1909
In dem Gemälde sind noch deutlich Anregungen spürbar, auf die sich der junge Maler bezog. Die dünnen, mit einem spitzen Gegenstand in die frische Ölfarbe gezeichneten Linien an den Seiten erinnern an Arbeiten des Norwegers Edvard Munch, während Kokoschka formal auf ein Gemälde Vincent van Goghs reagierte. In dem 1909 auf der Internationalen Kunstschau in Wien ausgestellten Bild van Goghs („Madame Roulin mit Baby“) hält eine Mutter den Betrachtenden ebenfalls ihr weiß gekleidetes, aufrecht stehendes Kind entgegen.
Oskar Kokoschka
Fred Goldman (Kind mit den Händen der Eltern), 1909
Über ein halbes Jahrhundert nach Entstehen des Goldman-Porträts griff Oskar Kokoschka dasselbe Motiv nochmals auf: In der späten Lithografie werden die Eltern aber nicht mehr nur durch ihre Hände symbolisiert, vielmehr sind nun auch der Kopf des Vaters und die Figur der Mutter im Profil zu sehen. Das Blatt entstand 1966 für den von der UNICEF und dem Bayerischen Rundfunk verliehenen „Prix Jeunesse“.
Fred Goldman (Kind mit den Händen der Eltern), 1909
Öl/Leinwand Foto: © Belvedere. Wien © Bildrecht, Wien
2024 / Fondation Oskar Kokoschka, Vevey
2024
Das kleine Mütterchen, 1897/98
Oskar Kokoschka
Das kleine Mütterchen, 1897/98
Die Zeichnung „Das kleine Mütterchen“, die aus einem frühen Skizzenbuch aus Oskar Kokoschkas Schulzeit stammt, schenkte der noch junge OK einer Jugendfreundin seiner drei Jahre jüngeren Schwester Bertha.
Oskar Kokoschka
Das kleine Mütterchen, 1897/98
In dem aus den Jahren 1897/98 stammenden Skizzenbuch übte sich der der junge OK anhand ausgewählter Motive in den verschiedensten Techniken und Signaturen. Das Blatt eines Mädchens mit einer Puppe in der Hand ist noch mit „Kokoschka“ unterzeichnet, während der Maler später stets nur mit OK signierte.
Oskar Kokoschka
Das kleine Mütterchen, 1897/98
Kokoschkas Zeichenlehrer Josef Schober versuchte seine Schüler:innen in allen künstlerischen Disziplinen zu unterrichten. Die Motive lassen erkennen, dass der Lehrplan in etwa jenem der Vorbereitungsklasse an der Wiener Kunstgewerbeschule entsprach.
Oskar Kokoschka
Das kleine Mütterchen, 1897/98
Auf Vermittlung seines Zeichenlehrers Josef Schober, der Kokoschkas Talent erkannt hatte, erhielt OK nach Abschluss der Realschule ein Staatsstipendium. Dieses ermöglichte ihm ab Oktober 1904 das Studium an der Wiener Kunstgewerbeschule (Abteilung für Lehramtskandidaten des Freihandzeichnens an Mittelschulen). „Ich sollte Zeichenlehrer werden. Man konnte zur Akademie oder zur Kunstgewerbeschule gehen. In der Akademie wurden Künstler ausgebildet. Ich entschied mich für die Kunstgewerbeschule.“ (Oskar Kokoschka, Mein Leben, 1971). Nach den beiden ersten Studienjahren wechselte Oskar Kokoschka 1906 schließlich trotz der Einwände seines Vaters in die Fachschule für Malerei bei Carl Otto Czeschka.
Das kleine Mütterchen, 1897/98
Bleistift auf Papier, Privatsammlung © Bildrecht, Wien
2024 / Fondation Oskar Kokoschka, Vevey
2024
Selma Lagerlöf, 1917
Oskar Kokoschka
Selma Lagerlöf, 1917
Das Porträt der Schriftstellerin Selma Lagerlöf (1958–1940) entstand anlässlich einer mehrmonatigen Reise Oskar Kokoschkas 1917 nach Schweden, wo er an der Ausstellung „Moderne österreichische Kunst“ teilnahm und sich Untersuchungen seiner im Ersten Weltkrieg erlittenen Verletzungen unterzog.
Oskar Kokoschka
Selma Lagerlöf, 1917
Selma Lagerlöfs 1906 erschienenes Kinderbuch „Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen“ war im Auftrag des schwedischen Volksschullehrerverbandes entstanden und zählt zu einem der wichtigsten Erziehungs- und Entwicklungsromane. Selma Lagerlöf erhielt 1909 als erste Frau den Nobelpreis für Literatur, zudem engagierte sich die Frauenrechtlerin auch im Kampf gegen den Nationalsozialismus.
Oskar Kokoschka
Selma Lagerlöf, 1917
Während seines Schweden-Aufenthalts von September bis November 1917 porträtiert Kokoschka eine Reihe wichtiger Persönlichkeiten: Neben dem Bildnis von Selma Lagerlöf entstanden die Porträts des Stockholmer Bürgermeisters und pazifistischen, schwedischen Reichstagsabgeordneten Carl Lindhagen (1860-1946) und des schwedischen Physikers und Chemikers Svante Arrhenius, der 1903 den Nobelpreis für Chemie erhalten hatte.
Oskar Kokoschka
Selma Lagerlöf, 1917
Kokoschka pflegte Zeit seines Lebens Kontakt zu zahlreichen Schriftsteller:innen. In den 1930er-Jahren in Prag hatte sich OK zur Bedeutung von Kinderliteratur geäußert. „Kindern sollte man ein gutes Buch und nicht Waffen in die Hand geben“ – mit dieser Passage aus seinem Nachwort zu Anna Maria Jokls Roman für Kinder „Die wahren Abenteuer des Basilius Knox“ sprach er die wichtige Rolle von Büchern für Kinder an.
Selma Lagerlöf, 1917
Kreidelithografie Oskar Kokoschka Dokumentation Pöchlarn © Bildrecht, Wien
2024 / Fondation Oskar Kokoschka, Vevey
2024
Oskar Kokoschka, Helft den baskischen Kindern!
Oskar Kokoschka
Helft den baskischen Kindern!, 1937
Im Jahr 1937 erschien aus Anlass des Spanischen Bürgerkriegs mit „Helft den baskischen Kindern!“ Oskar Kokoschkas erstes politisches Plakat, das zu humanitärem Engagement aufrief. Das Plakat, dessen Druck der Maler selbst finanzierte, war für das spanische Hilfskomitee des Roten Kreuzes bestimmt.
Oskar Kokoschka
Helft den baskischen Kindern!, 1937
Kokoschka reagierte mit der Farblithografie auf politische Aktualitäten: Er konzipierte das Plakat als humanitären Aufruf aus Anlass des Spanischen Bürgerkriegs und des durch die Luftangriffe der deutschen „Legion Condor“ verursachten Elends.
Oskar Kokoschka
Helft den baskischen Kindern!, 1937
In der linken Bildhälfte ist die Zerstörung der baskischen Stadt Guernica dargestellt, rechts vorne eine Frau, die als Art Caritas zwei Kinder rettet. Mit der Darstellung der Prager KarIsbrücke verlegt Kokoschka die Geschehnisse nach Prag und warnt damit vor einem deutschen Luftangriff auf die tschechische Hauptstadt.
Oskar Kokoschka
Helft den baskischen Kindern!, 1937
Sowohl in den Prager Jahren als auch ab 1938 im englischen Exil beschäftigte sich Oskar Kokoschka intensiv mit gesellschaftspolitischen Themen. Sowohl in seiner künstlerischen Arbeit als auch in Vorträgen, Artikeln und Aufsätzen thematisierte der Künstler die Rolle des Kindes als Hoffnungsträger für eine bessere zukünftige Gesellschaft. Gleichzeitig standen Bildungs- und Jugendarbeit sowie eine gewaltfreie Erziehung im Zentrum von Kokoschkas Interesse.
Helft den baskischen Kindern!, 1937
Farblithografie/Plakat Fondation Oskar Kokoschka, Vevey © Bildrecht, Wien
2024 / Fondation Oskar Kokoschka, Vevey
2024
Oskar Kokoschka, Die christliche Liebe, Aus dem Zyklus zu Karl Krausʼ „Die chinesische
Mauer“, 1913 (publ. 1914)
Oskar Kokoschka
Die christliche Liebe, Aus dem Zyklus zu Karl Krausʼ „Die chinesische Mauer“, 1913 (publ. 1914)
Das Blatt „die christliche Liebe“ aus dem Grafikzyklus „Die Chinesische Mauer“ zeigt eine Frau mit einem Knaben an der Hand vor einer hügeligen Landschaft mit Bäumen. Im Mittelgrund ist ein sich küssendes Paar dargestellt. Bei der Frau handelt es sich eindeutig um Kokoschkas große Liebe Alma Mahler, während das Kind die physiognomischen Gesichtszüge des Malers trägt.
Oskar Kokoschka
Die christliche Liebe, Aus dem Zyklus zu Karl Krausʼ „Die chinesische Mauer“, 1913 (publ. 1914)
Kokoschkas Illustrationen zu Karl Krausʼ Essay „Die chinesische Mauer“ sowie dem Lithografie-Zyklus „Der gefesselte Kolumbus“ sind als Spiegelung des eigenen Seelenlebens zu sehen. Diese ganz persönliche Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Thema „Kind“ steht im starken Kontrast zu Oskar Kokoschkas Kinderporträts.
Oskar Kokoschka
Die christliche Liebe, Aus dem Zyklus zu Karl Krausʼ „Die chinesische Mauer“, 1913 (publ. 1914)
Von 1912 bis 1915 verband Kokoschka eine leidenschaftliche Beziehung mit Alma Mahler, der Witwe des Komponisten Gustav Mahler. Seine Liebe, Eifersucht und Enttäuschung über das Scheitern der Beziehung sowie die Trauer nach den abgebrochenen Schwangerschaften sind komplexe Themen dieser Zeit, die er in zahlreichen Gemälden, Aquarellen und Zeichnungen und nicht zuletzt dem bekannten Puppen-Fetisch zu verarbeiten suchte.
Die christliche Liebe, Aus dem Zyklus zu Karl Krausʼ „Die chinesische Mauer“, 1913 (publ. 1914)
Kreidethografie Museum der Moderne Salzburg © Bildrecht, Wien
2024 / Fondation Oskar Kokoschka, Vevey
2024
Selbstbildnis von zwei Seiten als Maler, 1923
Oskar Kokoschka
Selbstbildnis von zwei Seiten als Maler, 1923
In dem 1923 entstandenen Plakat für eine Ausstellung im Kunstsalon Wolfsberg in Zürich variierte Kokoschka seine aus dem gleichen Jahr stammende Arbeit „Selbstbildnis von zwei Seiten“. Das Selbstporträt zeigt die simultane Wiedergabe von Profil und Halbprofil. Das Unverständnis der konservativen Kritik für diese Form der Darstellung spiegelte sich auch in einer bissig-ironischen Karikatur in der Zeitschrift „Der Götz von Berlichingen“ (1924) wider, die in ihrer Tendenz bereits die Diffamierungen Kokoschkas durch die Nationalsozialisten als entarteter Künstler vorwegnahm.
Oskar Kokoschka
Selbstbildnis von zwei Seiten als Maler, 1923
Die Selbstdarstellung Oskar Kokoschkas ging weit über die reine Wiedergabe in Gemälden, Zeichnungen und Lithografien hinaus, wie seine 1971 erschienene Autobiografie oder seine fotografischen Inszenierungen – beispielsweise als Rebell mit rasierter Glatze in einer frühen Fotografie aus dem Jahr 1909 – zeigen. Auch in den grafischen Illustrationen seiner eigenen Dramen sowie der Werke anderer Autoren tragen die Protagonisten wiederholt die porträthaften Züge des Malers.
Oskar Kokoschka
Selbstbildnis von zwei Seiten als Maler, 1923
Zahlreiche Porträtfotografien Oskar Kokoschkas sind im etwa 5.000 Fotos umfassenden Fotonachlass des Künstlers zu finden, der sich im Oskar Kokoschka Zentrum in Wien befindet. Die Fotos zeigen, dass sich der Künstler von den gefragtesten Porträtfotograf:innen der damaligen Zeit – wie Madame d’Ora (Dora Kallmus), Wenzel Weis, Erich Lessing, Trude Fleischmann oder Hugo Erfurth – fotografieren ließ.
Oskar Kokoschka
Selbstbildnis von zwei Seiten als Maler, 1923
Nachdem Kokoschka Dresden 1923 beinahe fluchtartig verlassen hatte, führte ihn seine Reise zunächst nach Zürich, wo im Kunstsalon Wolfsberg eine Schau seiner Arbeiten vorbereitet wurde. Kaum hatte er einige der selbst gestalteten Ausstellungsplakate signiert, reiste er noch vor Eröffnung der Schau ab.
Selbstbildnis von zwei Seiten als Maler, 1923
Kreidelithografie/Plakat, Privatsammlung © Bildrecht, Wien
2024 / Fondation Oskar Kokoschka, Vevey
2024
Badende am Strand von Loch Broom (Nevin/Wales), 1944
Oskar Kokoschka
Mit über 50 Jahren wandte sich Kokoschka im britischen Exil erstmals dem Zeichnen mit Farbstiften zu. Das zwang ihn einerseits zu größter farblicher Abstraktion, andererseits erlaubte es ihm ein schnelles Skizzieren mit nur wenigen Strichen. Neben zahlreichen Aktdarstellungen entstanden vor allem Landschaftszeichnungen.
Oskar Kokoschka
Bei Kokoschkas ersten, noch während des Zweiten Weltkriegs entstandenen Farbstiftzeichnungen handelt es sich um Landschaftsansichten der schottischen Küste. Oskar und Olda Kokoschka hielten sich zwischen 1941 und 1946 mehrmals bei Freunden in Schottland auf – nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch, um den Bombenangriffen auf London zu entkommen.
Oskar Kokoschka
Während der wochenlangen Aufenthalte bei seinen Freunden Emil und Else Korner, die er aus Tschechien kannte und die das bekannte „House of Elrig“ bewohnten, sowie bei seinen Reisen nach Wales und Nordschottland hatte Kokoschka bei Spaziergängen stets ein Skizzenbuch sowie Farbstifte bei sich. Trotz kriegsbedingter Verbote zeichnete er regelmäßig an der Küste. Die Farbstiftzeichnungen erstaunen durch ihre Spontanität der Geste und des Blicks, die Frische der Farben sowie eine große Leichtigkeit. Die Blätter zeigen weite Küstenstreifen, teils sind vereinzelte oder in sich gekehrte Menschen zu erkennen.
Oskar Kokoschka
Zeitgleich mit den Landschaftsdarstellungen entstanden in diesen Jahren auch zahlreiche Blumenaquarelle und Stillleben. Sämtliche dieser Arbeiten stehen in starkem Kontrast zu den politischen Allegorien, die der gegen das NS-Regime engagierte, als entarteter Künstler diffamierte Kokoschka zeitgleich schuf.
Badende am Strand von Loch Broom (Nevin/Wales), 1944
Farbstift auf Papier, Privatsammlung © Bildrecht, Wien
2024 / Fondation Oskar Kokoschka, Vevey
2024
Oskar Kokoschka mit Schüler:innen der „Schule des Sehens“, Salzburg 1953–1955
Oskar Kokoschka
Die Fotografie von Fegosch F. Schreiber zeigt Oskar Kokoschka mit Schüler:innen der „Schule des Sehens“ während des Unterrichts auf einer Bastei der Festung Hohensalzburg. Es stammt aus den Jahren 1953–1955 und befindet sich in einem Fotoalbum Kokoschkas, das Teil des umfangreichen Fotonachlasses des Malers ist.
Oskar Kokoschka
Ab 1953 leitete Oskar Kokoschka die von ihm mitbegründete „Schule des Sehens“ in Salzburg. In den Klassen für Malerei, Grafik, Skulptur und Architektur studierten einige später prominente Künstler:innen und Architekt:innen, vorwiegend aber künstlerische Laien. Kokoschkas Unterricht war auf die figurative Darstellung von sich bewegenden Modellen konzentriert. Das Studium in Kokoschkas Klasse und die Wirkkraft seiner Persönlichkeit wurden für die meisten seiner Schüler:innen zu einer prägenden Erfahrung.
Oskar Kokoschka
„Das Maß der Dinge bleibt der Mensch in der besten der möglichen Welten, wie sie ein Zyniker nannte“, schrieb Kokoschka im Programm der „Schule des Sehens“. Bis 1963 lehrte er dort nicht Kunst, wie er sagte, sondern das Sehen als zentrales Mittel der Weltwahrnehmung. „…mit den Augen erst begreift man die Welt!“ heißt es auch entsprechend in seiner Autobiografie „Mein Leben“ aus dem Jahr 1971.
Oskar Kokoschka
Die Sonderausstellung „Oskar Kokoschka. Aus der Perspektive eines Sammlers“, die von Mai bis Oktober 2021 im Geburtshaus Kokoschkas in Pöchlarn zu sehen war, präsentierte auch eine Reihe von Aktdarstellungen Kokoschkas aus dem Jahr 1953. Nach dem Ende der vierwöchigen Sommerakademie in Salzburg stand ihm eines der Modelle noch zur Verfügung.
Oskar Kokoschka mit Schüler:innen der „Schule des Sehens“, Salzburg 1953–1955 Fotografie, Foto: Fegosch F. Schreiber, Universität für angewandte Kunst Wien, Oskar Kokoschka Zentrum © Bildrecht, Wien
2024 / Fondation Oskar Kokoschka, Vevey
2024
Oskar Kokoschka,Sitzender weiblicher Akt, um 1922
Oskar Kokoschka
Sitzender weiblicher Akt, um 1922
Oskar Kokoschkas schnell und spontan gemalte Aktdarstellungen in Aquarelltechnik, die er Anfang der 1920er-Jahre in Dresden schuf, stellen einen Höhepunkt an expressiver Ausdrucksform dar. Sie vermitteln sowohl die starke Farbigkeit seiner damals entstandenen Gemälde als auch die Spontanität und Reduktion der Figurenzeichnung der zeitgleichen Rohrfederzeichnungen.
Oskar Kokoschka
Sitzender weiblicher Akt, um 1922
Ab Ende 1916 hielt sich Kokoschka nach zweimaliger Verwundung im Ersten Weltkrieg zur Rekonvaleszenz in Dresden auf. Nach jahrelangen Bemühungen erfüllte sich 1919 sein Wunsch nach einer Professur an der Staatlichen Akademie. Ein Vertrag mit der Berliner Galerie Cassirer sicherte ihn zusätzlich finanziell ab.
Oskar Kokoschka
Sitzender weiblicher Akt, um 1922
Wie schon im Unterricht an der Kunstgewerbeschule in Wien standen auch an der Dresdner Akademie, wo Kokoschka seit 1919 unterrichtete, Kinder und junge Mädchen den Studierenden – und auch dem Maler selbst – Modell. Mit wenigen, mit breitem Pinsel gemalten Farbflächen hielt Kokoschka die Posen der Modelle fest. Der Bildgrund bleibt an einzelnen Stellen erkennbar und hilft dem Körper Raum zu geben. Der Boden und der Hintergrund sind mit wenigen Farbflächen angedeutet.
Oskar Kokoschka
Sitzender weiblicher Akt, um 1922
Erst 25 Jahre nach den Dresdner Aquarellen widmete sich Kokoschka abermals der Aktdarstellung, wobei die Arbeiten der 1940er- und 1950er-Jahre nun eine andere Technik aufwiesen. Mit über 50 Jahren wandte sich der Maler im britischen Exil erstmals dem Zeichnen mit Farbstiften zu. Das zwang ihn einerseits zu größter farblicher Abstraktion, andererseits erlaubte es ihm ein schnelles Skizzieren mit nur wenigen Strichen.
Sitzender weiblicher Akt, um 1922
Aquarell auf Papier, Privatsammlung © Bildrecht, Wien
2024 / Fondation Oskar Kokoschka, Vevey
2024
Oskar Kokoschka, Stiefmütterchen in einer Vase, 1941
Oskar Kokoschka
Oskar Kokoschka, Stiefmütterchen in einer Vase, 1941
Das Aquarell „Stiefmütterchen in einer Vase“ aus dem Jahr 1941 markiert den Beginn der 2021 im Kokoschka Haus Pöchlarn präsentierten Privatsammlung, die sich auf Arbeiten auf Papier konzentriert. In den mehr als 40 in der Ausstellung gezeigten Blättern spiegeln sich die Schwerpunkte der Sammlung wider. Die Gruppierung nach Genres – neben Porträtdarstellungen und Selbstporträts vor allem Akte und Landschaftsdarstellungen – stellt den Versuch dar, den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung den sehr persönlichen, intimen und stillen Blick des Sammlers auf Oskar Kokoschka näherzubringen.
Oskar Kokoschka
Oskar Kokoschka, Stiefmütterchen in einer Vase, 1941
Oskar Kokoschka schuf die „Stiefmütterchen in einer Vase“ und andere Blumenbilder, die er ohne Vorzeichnung aquarellierte, im Londoner Exil. Aus den gleichen Jahren datieren seine höchst politischen Allegorien wie die Gemälde „Anschluss – Alice im Wonderland“ oder „Das rote Ei“. die während der Bombenangriffe Nazideutschlands auf London entstanden.
Oskar Kokoschka
Oskar Kokoschka, Stiefmütterchen in einer Vase, 1941
Bis ins hohe Alter hielt Kokoschka auch die Blütenpracht seines Gartens in Villeneuve in zahlreichen Blumenaquarellen fest. Im Jahr 1953 bezogen Olda und Oskar Kokoschka ihr Haus in Villeneuve am Ufer des Genfer Sees, mehr als 40 Jahre nachdem sich der Künstler bereits in diesen Landstrich verliebt hatte. OK bezeichnete den Ort als Paradies: „Für mich ist es noch ein wirkliches, dank des gestirnten Himmels über mir, der eisbegrenzten Gebirge vor mir und dieser unendlichen Aussicht über den See von der Grasnarbe, die mein Eigen ist. Es ist mir zur zweiten Heimat geworden.“ Neben den Aquarellen entstand in den 1970er-Jahren auch eine Reihe von Lithografien mit Blumendarstellungen.
Stiefmütterchen in einer Vase, 1941
Aquarell auf Papier, Privatsammlung © Bildrecht, Wien
2024 /
Fondation Oskar Kokoschka, Vevey
2024
Studie zu „Maler und Modell“, um 1921/22
Oskar Kokoschka
Studie zu „Maler und Modell“, um 1921/22
Die Zeichnung ist im Zusammenhang mit dem Gemälde „Der Maler“ („Maler und Modell“), das in zwei Versionen in den Jahren 1922 und 1923 entstand, zu sehen. Das Blatt zeigt Kokoschka mit ausgestreckter Hand beim Malen eines Selbstbildnisses, gerahmt von seinen beiden Dresdner Musen Anna Kallin und Edith Rosenheim.
Oskar Kokoschka
Studie zu „Maler und Modell“, um 1921/22
Während beim Gemälde „Der Maler II“ auf der Staffelei links im Bild das OK-Selbstbildnis des „Sturm“-Plakats von 1910 mit blutender Seitenwunde zu sehen ist, zeigt die Zeichnung den Maler mit einem sechsarmigen Leuchter und dem Venussymbol auf der Brust, in dessen Mitte der Pinsel Kokoschkas zielt. Bei dem rätselhaften, schwer zu entschlüsselnden Blatt handelt es sich nicht nur um eine Vorzeichnung, vielmehr kann ihm der Stellenwert einer eigenständigen Arbeit mit viel Bildwitz eingeräumt werden.
Oskar Kokoschka
Studie zu „Maler und Modell“, um 1921/22
Statt des Gesichtes Kokoschkas ist eine Maske dargestellt. In einem Brief an seine Eltern aus dem Februar 1921 berichtete OK von einer Maske, die er vom Kunsthändler Victor Wallerstein bekommen hatte. Objekte aus der eigenen Kunstsammlung dienten Kokoschka bis ins hohe Alter immer wieder als Vorlage für seine Arbeiten.
Oskar Kokoschka
Studie zu „Maler und Modell“, um 1921/22
Die Selbstdarstellung Oskar Kokoschkas ging weit über die reine Wiedergabe in Gemälden, Zeichnungen und Lithografien (abseits der zahlreichen Selbstporträts) hinaus, wie seine 1971 erschienene Autobiografie oder seine Inszenierung als Rebell mit rasierter Glatze in einer frühen Fotografie aus dem Jahr 1909 zeigen. Auch in den grafischen Illustrationen seiner eigenen Dramen und der Werke anderer Autoren tragen die Protagonisten wiederholt die porträthaften Züge des Malers, Grafikers und Dramatikers.
Studie zu „Maler und Modell“, um 1921/22
Tusche auf Papier, Privatsammlung © Bildrecht, Wien
2024 / Fondation Oskar Kokoschka, Vevey
2024